Wie sich die Spiritualität bei Frauen in der Lebensmitte verändert

Der Wandel, den jede Frau in der Lebensmitte erfährt, wird meist auf Stimmungsschwankungen, Hitzewallungen, Gewichtszunahme und hormonelle Veränderungen reduziert. Doch in den Wechseljahren verändert sich bei Frauen auch der Zugang zur Spiritualität. Das, was bisher entweder ignoriert, belächelt oder als Teil der Lifestyle-Optimierung betrachtet wurde, weicht einem tiefen Wunsch, die eigene Essenz zu erforschen und der Suche nach dem Sinn. Wie sich die Spiritualität bei Frauen in der Lebensmitte verändert.

 

Nora, 55, erzählt von einer neuen Tür, die sich für sie geöffnet hat:

„Wenn mir vor vor Jahren jemand erzählt hätte, ich würde mit meinen Pflanzen sprechen, dem hätte ich einen Vogel gezeigt! Doch nach meinem Burnout wollte ich einfach nicht mehr so weiter machen, wie bisher. Und da ich mich immer schon in der Natur gut erholen konnte, buchte ich einen Kräuterkurs. Was mich faszinierte war, dass uns die Kursleiterin nicht nur botanisches Wissen über die Pflanzen vermittelte, sondern auch deren Signaturen. Doch das beeindruckendste Erlebnis war der Moment, in dem ich auf einer, ich nenne es mal seelische Ebene, mit einem Hollunder in Kontakt kam. Das machte eine Tür in mir auf, die mir eine vollkommen neue Welt eröffnete. Denn diese Form des Kontakts klappt nicht nur bei Pflanzen. Mittlerweile habe ich eine Ausbildung als Kräuterfrau absolviert und begleite interessierte Frauen auf besonderen Medizinwanderungs-Exkursionen. Eine Aufgabe, die mich unglaublich erfüllt, ja, ich würde sogar sagen, es ist meine Herzensberufung.“

 

Beate, 57, berichtet über ihre spirituelle Suche:

„Als Managerin einer internationalen Hotelkette reiste ich über Jahre durch die Welt. Weder Zeitzonenwechsel noch Klimazonenwechsel berührten mich groß. Was mich aber in die Knie zwang war ein Wechsel, den ich nicht auf dem Schirm hatte: meine Wechseljahre. Wenn sich früher Kolleginnen darüber austauschten, dachte ich mir nur, was für Weicheier – denen fehlt nur die nötige Disziplin. Doch ich muss zugeben, auch meine Disziplin half mir nicht, als ich ‚in die Jahre‘ kam. Ich wurde nur verbissener. Eine Freundin nahm mich eines Abends zu einer geführten Meditationsreise mit. Vollkommen unerwartet genoß ich es, diese für mich neuen inneren Räume zu erleben. Ich bin mir dadurch im Laufe der Zeit immer näher gekommen und genieße es, mich dadurch anders, ja umfänglicher zu leben. Was mich ganz besonders glücklich macht: ich konnte mir im Unternehmen eine neue Stelle kreieren. Ich begleite mittlerweile als Mentorin Frauen in den Wechseljahren, sodaß unserem Unternehmen diese unglaublich wertvollen Ressourcen an Lebensweisheit, und Erfahrungen, die Frauen in der Lebensmitte angereichert haben, nicht durch Kündigungen verloren gehen. Mein Wirken im Unternehmen hat dadurch einen vollkommen neuen Sinn gefunden.“

 

Christine, 52 erzählt über ihre Erlebnisse als „Spiri-Junkie“:

„Ich würde sagen, spirituell war ich schon mein ganzes Leben – zwangsweise – denn durch meine Mutter war ich Teil der Spiri-Szene. Sie brachte uns als Alleinerziehende mit Tarotkarten legen, als Medium, Yogalehrerin, Heilerin und Schamanin über die Runden. Trancereisen, Chanten, Meditationen und Visionquests waren für mich nichts Besonderes. Ich habe es eher als einen nie endenden Sommernachtstraum erlebt. Als ich älter wurde, distanzierte ich mich von dem ganzen Rummel, den ich immer öfter als oberflächlich und substanzlos wahrnahm. Meine ‚Erwachsenenjahre‘ arbeitete ich als Controllerin um dem Spielplatz der spirituellen Eitelkeiten zu entfliehen. Zahlen, Daten, Fakten gaben mir Halt und Verlässlichkeit. Doch je älter ich wurde, umso unzufriedener wurde ich. Da war eine Stimme in mir, der ich nicht auskam. Und die holte mich in ‚bekannte Gefilde‘. Was jedoch anders war im Umgang mit den vertrauten ‚anderen Welten‘: die Tiefe, mit der ich mich mit meiner Essenz verband um mich zu finden. Der Weg ging dabei nicht ‚weg von‘, so wie ich es früher erlebte, sondern ‚hin zu‘. Kein einfacher Weg, denn da warten doch noch so einige Drachen, die ich glaubte, hinter mich gebracht zu haben. Heute erlebe ich mich als weise Frau, die sämtliche Territorien ihres Lebens erfahren hat: Körper, Emotionen, Verstand und Spirit.“

 

Alexandra, 51, lädt uns tief in die Transformation ein, die sie im Wandel erlebt hat:

Meine Fragen an Alexandra waren: Warum ist ein Leben ohne Spiritualität nach den Wechseljahren für dich nicht mehr möglich? Wie hast du diese Wandlungsphase erlebt?

„Ich fange gleich mal mit der zweiten Frage an. Ich habe nämlich statt der üblichen Wandlungsphase ein unglaubliches Geschenk bekommen. Von den Wechseljahren selbst hab’ ich – zumindest körperlich – nichts mitbekommen, außer dass meine Periode aufgehört hat. Aber auch das war eigentlich schon früher. Die üblichen Hitzewallungen kannte ich auch schon länger, weiß aber mittlerweile, dass auch diese bei mir zum größten Teil nicht Wechsel-bedingt, sondern psychisch sind.

Das Geschenk war, dass mein Körper, mein Gehirn und der ganze Rest bei mir vor drei Jahren einfach mal die Reset-Taste gedrückt haben. Ich hatte mich vorher in meinem Leben so verausgabt, so eingefroren, mich trotzdem gezwungen, weiter zu funktionieren, dass irgendwann einfach komplett Schluss war. Posttraumatische Belastungsstörung aufgrund eines Bombentraumas, aufgebrochene…

Danach stand kein Stein mehr auf dem anderen. Alles, was vorher einfach gewesen war, war plötzlich unmöglich. Klar konnte ich noch alles, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, dass ich alles neu lernen müsste. Laufen, Sprechen, Schreiben. In mir war gar keine Kraftreserve, um das schnell zu lernen. Ich war quasi gezwungen, das alles in Babyschritten zu verinnerlichen.

Ich weiß nicht, ob sich das jemand vorstellen kann, aber ich war in meiner Trauma-Bubble einfach unglaublich alleine, und als »Neugeborene« eigentlich total hilflos. Mittlerweile kann ich übrigens wieder alles ziemlich gut. Nur eben nicht mehr so weit und so schnell 😉

Mit Spiritualität habe ich mich schon mein ganzes Leben lang beschäftigt. Göttin sei Dank! Weil, wenn ich das nicht gehabt hätte, diesen Glauben, dieses Vertrauen in diese große Mutter, dann wäre der Heilungsprozess viel mühsamer abgelaufen. So wusste ich wenigstens, an wen ich mich in meiner Not wenden konnte, wo ich aufgefangen wurde, mich gehalten und getragen fühlen konnte und wo ich immer wieder die Bestätigung bekam, dass ich, so wie ich bin, einfach genug bin.

Für mich persönlich ist deswegen insgesamt ein Leben ohne Spiritualität nicht möglich. Nach dem Wechsel wird es aber noch dringender. Da geht das gar nicht mehr ohne, weil dann was Entscheidendes fehlt: Die Seele nämlich. Das Ich fehlt. Also, das, was ich wirklich bin, was mich wirklich ausmacht. Meine Gefühle, meine Bedürfnisse, mein Selbstwert.

Wenn ich mich mit Mädels unterhalte, die so gar nicht spirituell sind, dann kommt trotzdem irgendwann die Rede auf die Spiritualität. Und während sie so bei den allgemeinen Themen über Projekte, Probleme und so noch ganz viel geredet haben, ist da plötzlich Schweigen. Nicht, weil sie das Thema nicht interessant oder abstoßend finden, den Grund sehe ich in ihren Augen! Wenn ich ihnen von Spiritualität erzähle, dann werden ihre Augen ganz leer und ich sehe da so ein unglaublich tiefes, unerfülltes Loch. Da erschrecke ich jedesmal, so ergreift mich das. Weil das Loch, das da entsteht, das kommt doch daher, dass da keine Seele drin ist. Oder zumindest seit Jahren so weit versteckt, dass sie nicht mal mehr durchscheint.

Ich glaube, dass ich es mir deswegen zur »Aufgabe« gemacht habe, diese Frauen zu ihrer Seele zu führen, damit sie dieses grässliche Loch endlich füllen. Damit sie selber die werden, die ich unter den ganzen Hüllen schon sehen kann.

Ich kann so viele wunderschöne Frauen sehen da draußen, mit so viel Potenzial – und sie sind so lost! Dabei müssten sie sich nur einmal für ihre spirituelle Seite öffnen, sich diesem zugebenermaßen etwas anderem Gefühl einfach nur für einen Moment hingeben. Ist ja egal, wie sie das machen. Yoga, Tantra, Waldbaden, Kochen, Gärtnern. Einfach mal die eigene Seele fühlen, die eigene Bubble – und wahrnehmen, was da noch darüber hinaus möglich ist!

Diese Begegnung mit der Spiritualität ist es, die sie zu sich bringt. Die den Wechsel erst zur Wandlung verwandelt. Die Seele macht dann schon alleine weiter, wenn die mal Luft geschnappt hat. Sie wieder einzusperren, wird dann heftig anstrengend. Und das ist gut so! Denn genau darum geht es! Dass wir rauswachsen aus dem Käfig, in den wir uns ja gesperrt haben. Und dann verstehen wir eine ganze Menge mehr davon, wie die Welt eigentlich wirklich »funktioniert«, was eigentlich alles möglich ist.

Die Frauen, die sich auf ihre Seele eingelassen haben, verstehen dann jeden Talk über Spiritualität. Weil’s völlig egal ist, ob ich das Göttin oder Chi oder Tiramisu nenne. Weil es dieses fette Gefühl ist, das fette Gefühl einer durch und durch genährten Seele, das uns verbindet. Wo? Na, da, wo früher unsere Eier saßen. Damit sind wir durch. Und wo der Platz frei geworden ist, da sitzt jetzt dieses Gefühl und macht sich breit und kreiert täglich neue Schöpfungen aus sich heraus.

Und jetzt stell dir mal vor, das würden alle Frauen nach dem Wechsel so machen! Was hätten wir dann für eine Welt!!!“

Alexandra H. Meier / alexandresk, Autorin von Romanen, ausschließlich als Seelennahrung für den Wechsel

 

Spiritualität ist so individuell wie die Frauen, die nach ihr Suchen, jedoch gibt es einen gemeinsamen Nenner: sie folgen einem archetypischen Muster

Dieses Muster hat die US-amerikanische Psychotherapeutin Maureen Murdock, die sich lange Jahre mit dem Mythenforscher Joseph Campbell über die Unterschiede zwischen männlicher und weiblicher Heldenreisen ausgetauscht hat, entdeckt. Die Heldinnenreise läuft – laut Murdock – in immer denselben Mustern ab:

Die Reise beginnt mit der Suche der Heldin nach Identität. Dieser Ruf wird nicht in einem bestimmten Alter vernommen, sondern ist immer dann zu hören wenn das „alte Ich“ nicht länger taugt. Dieses Anfangsstadium beinhaltet häufig eine Ablehnung des Weiblichen, das als passiv, manipulativ oder unproduktiv definiert wird.

Es zählt allein das, was man tut und die „wichtige Arbeit in der Welt“ leistet. Sie weiß nicht wie sie innehalten oder „nein“ sagen soll. Sie fängt sich an zu fragen „Wozu das alles?“ In dem Streben nach Erfolg will sie vor allem dem verinnerlichten Vater gefallen. Das Fehlurteil, das ihr schon am Beginn unterlief mag der Entschluss gewesen sein, nach den Spielregeln anderer Personen Selbstwertgefühl und Erfolg anzustreben.

Beschließt die Frau nicht mehr nach patriarchalen Regeln zu spielen, kommt sie in unkartographiertes Gelände – es gibt keine Richtlinien mehr, wie sie handeln oder was sie fühlen mit aller Angst vor Veränderung geht sie in den Initiationsprozess.

Es folgt der Abstieg in die Unterwelt. Dies kann eine Phase des Herumwanderns, der Trauer und der Wut beinhalten, der Entthronisierung von Königen, der Suche nach verlorenen weiblichen Teilen.
Bis sie in einer Phase der Dunkelheit, Isolation und des Schweigens die Kunst tief im Innern wieder auf das eigenen Selbst zu hören stößt und beschließt zu sein, statt zu tun.

Dieser Abstieg kann nicht beschleunigt werden, da er Teil einer heiligen Reise ist. Nach der Phase des Abstiegs beginnt die Heldin damit, den Bruch zwischen Mutter und Tochter langsam zu heilen, diese Wunde, die sie sich mit der anfänglichen Ablehnung des Weiblichen zufügte.

Zu dieser Heilung gehört, ihren Körper und ihre Seele zu nähren und ihre Gefühle, Intuition, Sexualität, Kreativität und ihren Humor wieder für sich in Anspruch zu nehmen. Die so hart errungenen Fähigkeiten und Erfolge sind nicht das Ziel sondern die Qualität der Reise und werden danach nicht nur für sich selbst sondern für die größere Aufgabe diese zum Besten Aller zu verwenden…  

Für mich sind das genau die Schlüsselkompetenzen, die aus einer Frau in der Lebensmitte eine integrale Mentorin macht. Sie hat die Initiationsreise selbst erfahren und dabei die vier Himmelsrichtungen ihrer Lebenslandschaft bereist. Sie wurde dadurch zur Meisterin aller vier Welten und hat Zugang zu ihrem Körper, der Sexualität und Kreativität, zu ihren Gefühle, ihrem Verstand, ihrer Intuition und ihren Humor zu gleichen Teilen. 

Klingt das nach einer Reise, zu der Du Dich hingezogen fühlst?Von Herz zu Herz, Deine Mia

P.S. ich bin jetzt natürlich total neugierig, wie sich DEINE SPIRITUALITÄT im Laufe der Jahre verändert hat und freue mich sehr über Deinen Kommentar!

1 Kommentar

  1. Tanja Ilg

    Liebe Mia,
    ich geniesse es heute sehr, dank Deiner mail, mich durch Deine „schamanischen Seminare“ zu lesen, das wollte ich Dir mit einem herzlichen Gruß aus dem Schwäbischen kurz kundtun und ich bedanke mich ebenso herzlich für Deine Wunder-vollen segensreichen Artikel, in diesem bin ich aufgegangen wie ein Hefekuchen;-))
    HERZLICHsT Tanja

    Antworten

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